Warendorf. Etwa 150 ZuschauerInnen sahen am 05.05.99 auf Einladung des
Vereines Labyrinth e.V. und in Zusammenarbeit mit dem Förderschulwohnheim
St.Michael den Auftritt des
Deutsches Theater
Almaty mit dem Stück "Glücksfelder" im Theater am Wall. Der
Pressebericht
von Jan Nikolas Dicke am 7.5.99 in den Westfälischen Nachrichten
gibt einen guten Eindruck von der Vorstellung in Warendorf und dem
dort gezeigten Können der Schauspieler wieder.
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Die Tatsache, daß das Deutsche Theater aus Almaty mit ihrem Stück
Glücksfelder" in Warendorf zu sehen war, ist für die Stadt
und für den Verein Labyrinth e.V. selber ein Glücksfall gewesen.
Er hängt damit zusammen, daß ein ehemaliger Schauspieler am Deutschen
Theater aus Almaty, Aleksey Davydav, nunmehr in Warendorf lebt und im Vorstand
des Vereins Labyrinth e.V. mitarbeitet. Durch ihn wurden die Kontakte zur
Theatergruppe aus Kasachstan hergestellt.
Das deutsche Theater wurde 1980 in Temirtau bei Karaganda gegründet
und 1990 nach Almaty (früher 'Alma-Ata') verlegt. Das Theater stellt
ein hochwertiges Zentrum der kulturellen Identität der
Rußlanddeutschen dar. Seit 1991 verfügte man über ein eigenes
Haus, ein ehemaliges Kino mit 100 Plätzen, bar jeder Bühnentechnik,
ohne Werkstätten und Proberäume. Der Spielplan reicht von der
szenischen Aufarbeitung der rußlanddeutschen Geschichte über deutsche
und russische Klassiker bis hin zu Volksstück und Kindertheater. Damit
wurde nicht nur die Theatersaison in Almaty bestritten, das Theater unternahm
auch jährlich mindestens eine Tournee in die Siedlungsgebiete der Deutschen
in Kasachstan und Sibirien. |
Mittlerweile arbeiten am neuen 'Deutschen Theater Almaty' zirka 20 Absolventen
der zentralasiatischen deutschen Theaterakademie. Statt Deutschlandnostalgie
und falsch verstandener Klassikerpflege konzentriert man sich im Deutschen
Theater in Almaty auf Projekte, die in der Millionenstadt Almaty auch ein
breiteres Publikum interessieren.
Beispielhaft zeigte sich dies an der Inszenierung GLÜCKSFELDER,
mit welchem das Theater bei seiner derzeitigen Tournee in der Bundesrepublik
auch in Warendorf gastierte. Die Autorin und Regisseurin Ingrid Lausund hatte
den Auftrag, ein Stück zum Abschluß des Studiums an der Deutschen
Theaterakademie in Almaty, Kasachstan zu erarbeiten. Herausgekommen ist ein
Stück mit acht Hauptrollen. Da sich die Klasse aus sieben Schauspielerinnen
und nur einem männlichen Schauspieler zusammensetzt, war die Autorin
und Regisseurin in ihren Gestaltungsmöglichkeiten deutlich
eingeschränkt. Im russischen Fernsehen ist eine der populärsten
Fernsehshows die Abendshow 'Polje Tschudess', auf deutsch 'Glücksfelder',
bei der Kandidaten die Gelegenheit bekommen, etwas über sich zu
erzählen und durch Ratekünste, oder indem sie auf das richtige
Feld des Glücksrades setzen, gewinnen zu können. Ingrid Lausunds
'Glücksfelder' ist keine Nachahmung der Fernsehshow, viel eher
erzählen die handelnden Personen aus Ihrem persönlichen Lebensumfeld
in Kasachstan-ihrem Glücksfeld auf dem sie ihr Lebensspiel spielen. |
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Scheinbar Banales wie der tägliche Einkauf in den kerzenbeleuchteten
Straßenmärkten, die überall gegenwärtige Korruption,
die mängelbeladene Wohnsituation, die katastrophale medizinischeVersorgung,
aber auch wie frau den richtigen Mann findet, wird mit doppelbödigem
Humor erzählt und in bester Sketchmanier vorgeführt. Als Moderator
fungiert der Tod; durch seine gezielt-variablen Kommentare verstärkt
er den improvisatorischen Charakter der GLÜCKSFELDER. Dazwischen finden
sich immer wieder eingestreut Lieder, lakonische Statements, flammende Appelle. |
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Der Tod dient im Stück als Hinweis darauf woran die Menschen sterben.
An den Umständen in Kasachstan, dieser ehemaligen Sowjet-republik im
Umbruch. An fehlender Zuwendung, an den Verhältnissen in den
Krankenhäusern, an allgemeiner und je eigener Apathie, fest davon
überzeugt, daß 'man allein ja nichts machen kann'. Die
Verhältnisse sind zweifellos empörend und tragisch. Bis die letzte
Seite des Stücks geschrieben war, ist dennoch eine Komödie daraus
geworden. Was denn sonst!' |
Virtuos geschrieben und inszeniert, ist Glücksfelder ein Spiel im Spiel
im Spiel. Auch das Publikum spielte mit, eine entscheidende Rolle, wie immer
im Theater. Ingrid Lausund ist mit dieser Produktion ein humorvolles, poetisches
Blitzlicht auf die Lebensumstände in Kasachstan gelungen.Die Grenze
zwischen Theater und Leben, war an diesem Theaterabend in Warendorf aufgehoben.
Mit einem poetischen, gekonnt schlichten Bühnenbild, und ebensolchen
Kostümen und mit wenigen Requisiten gelang es den jungen Schauspielern,
beim Zuschauer eine fast kathartische Situation auszulösen. Selten
berührte Theater so leicht, so einfach und so schön.
Auf Gastspielreisen innerhalb Kasachstans, Kirgistans, in Moskau und St.
Petersburg fand das Stück daher auch großen Anklang.
Aber auch außerhalb der GUS-Staaten fand das Stück große
Aufmerksamkeit; - So erhielt es beim diesjährigen Treffen deutschsprachiger
Schauspielschulen den Sonderpreis der Jury und wurde beim angesehenen
Theaterfestival THEATERFORMEN in Hannover bejubelt.
Das Theater hat 1999 neben der Warendorfer Einladung, weitere zur Teilnahme
an Festivals und zu Auftritten in nahmhaften Häusern in der BRD, der
Schweiz und selbst ins schottische Theatermekka Edinburgh, wo sie
Glücksfelder" auf Englisch spielen werden. Im Anschluß darauf
ist eine Südamerika-Tournee geplant. Die Warendorfer haben sich die
einmalige Chance auf diesen Theaterleckerbissen", auch vor dem Hintergrund
der humanen Eintrittspreise deshalb nicht entgehen lassen.
Der Kartenvorverkauf für Glücksfelder" lief über das
Verkehrsverein der Stadt Warendorf. Der Kartenpreis war bewußt sozial
gestaffelt worden und am für den Verein gerade noch tragbaren unteren
Bereich angesetzt worden. |