Rechte und nationale Tendenzen in der Freiwirtschaftsbewegung?


Der Inhalt:

  1. Der Kommentar: Die Freiwirtschaft - eine grundsätzlich  faschistische Theorie?
  2. Erklärung der Liberalsozialen in Bündnis 90/ DIE GRÜNEN anläßlich des 50. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus
  3. Die Asylthesen des Reiner Bischoff
  4. Die Veröffentlichung der Erwiderungen auf die Angriffe gegen Helmut Creutz und Georg Otto - Ein Akt des fairen Dialoges
  5. Gedächtnisprotokoll zu den Vorgängen bei der Veranstaltung am 12. Nov. 1996 in Hannover
  6. Stellungnahme von Helmut Creutz zum Flugblatt: "Notdürftig verpackter Faschismus" und der Eingabe ins CL-Newsnet "Faschistoider Freiwirtschaftler im Conti"
  7. Stellungnahme  von Helmut Creutz zur Interneteingabe von Kurt Heiler vom 11. 11. 96 im CL-Net
  8. Auszugsweise Stellungnahme von Georg Otto zu den gegen ihn vom ASTA der Universität Hannover erhobenen Vorwürfe
  9. Stellungnahme von Georg Otto zum erneuten Faschismusvowurf von Johannes Weigel
  10. Tauschringe von Extremisten unterwandert? Persönliche Erklärung des Sprecher der Liberalsozialen in BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Liberalsozialen Aktion - LSA und als Herausgeber der liberalsozialen Zeitschrift ,,Alternative 2OOO"
  11. Stellungnahme eines liberalsozialen Tauschringaktivisten zu den Unterwanderungsvorwürfen bezüglich der Tauschringbewegung
  12. Gutachten von Hans-Joachim Werner,  für den Landesverband NRW der FSU zum Umgang mit den Rechtsvorwürfen gegen die Partei
  13. Die "Antifa"-Strategie gegen die Freiwirtschaftsbewegung - eine antidemokratische unwissenschaftliche Diffamierungskampagne?



1. Der Kommentar - zur Diskussion gestellt:
Die Freiwirtschaft - eine grundsätzlich faschistische Theorie?

1.1 Silvio Gesell  ein Antisemit, Nationalist oder gar ein Propagandist der Ideen des Nationalsozialisten G. Feder?

Immer wieder wird den Freiwirten oft aus kommunistischen  beziehungsweise antifaschistischen Kreisen global vorgeworfen, braune Propaganda zu betreiben. So kann man  derzeit im Internet unter der URLs:
http://www.nadir.org/nadir/archiv/Antifaschismus/Organisationen/Diverse/AIgesell.html
Verallgemeinerungen aber auch berechtigte Vorwürfe an die Bewegung enthält. Die wirtschaftlichen Auffasungen  von Gesell  versucht ein unbekannter (!) Autor  mit denen von Gottfried Feder gleichzusetzen, da beide Zinsgegner waren.

Wenn man jedoch die wirtschaftspolitischen Aussagen von Gesell und Feder ernsthaft vergleicht, fallen sofort die große Unterschiede in der Theorie auf. Gesell tritt z.B. für eine stabile Währung ein, während Feders Gelddeckungsvorschläge inflationär angelegt sind. Gesell distanzierte sich nicht nur aus diesem Grunde vom Nationalsozialisten Feder.
Aber auch Feder lehnte Gesell auf Grund seiner internationalen Gedanken und seiner Wirtschaftsvorstellung deutlich ab. Daher schrieb er bereits 1923 in einer Beilage zum "Völkischen Beobachter":

"Der gefährlichste dieser deutschen Propheten war und ist Silvio Gesell. Seine Lehre von Freiland und Freigeld hat geradezu Verheerungen angerichtet in vielen deutschen Köpfen. Erst nach diesen Irrwegen haben sich viele unserer besten Vorkämpfer von den Gesellschen Gedankengängen losmachen können. Nachdem schon im Jahre 1921 auf dem zwischenstaatlichen Vertretertag der Nationalsozialisten Großdeutschlands die Lehre Gesells geradezu als tödlich für das deutsche Volkstum abgelehnt worden war.
In einer Artikelserie ist diese Auseinandersetzung mit Silvio Gesell in den nationalsozialistischen Monatsheften "Volk und Gemeinde" im Jahre noch vertieft worden, so daß die restlose Ablehnung und wissenschaftliche Erledigung der Gesellschen Irrlehre heute als Gemeingut des Nationalsozialismus angesehen werden kann.
"
(G.Feder: Falsche Propheten und Schwarmgeister, in: Der Nationalsozialist, Beilage zum Völkischen Beobachter vom 27.10.1923)
          
Entweder verschweigt man/frau daß Gesell die "Judenhetzerei" deutlich verurteilte,

"Die Judenhetzerei ist eine kolossale Ungerechtigkeit und eine folge des heutigen Münzwesens.(...) Die Münzreform schützt die Juden nicht allein vor jeder weiteren Verfolgung, sondern sie sichert auch der deutschen Wissenschaft und Gesetzgebung die Mitwirkung des jüdischen Scharfsinnes."
(S.Gesell: Nervus Rerum, Buenos Aires 1891, S.72f)

"Ford (...)In seinem Kampf gegen die die New-Yorker Hochfinanz aber wandelt er eigene Bahnen. Sein Buch:"Der internationale Jude" soll beweisen, daß es vor allem die Juden seien, welche die Welt in den Abgrund führen(...) Der Freiwirt weiß, daß Kriege vor allem der Ausfluß des, seit der christlichen Zeitrechnung geltenden Boden(un)rechtes sind, das auch von den allerchristlichsten Regierungen heilig gehalten wurde und wird.
Eines ist richtig im Ford´schen Buch: Die Juden haben Jahrhunderte lang die Währungspolitik ganzer Völker beherrscht (Rotschild), beherrschen sie vielleicht (Hervorhebungen d. H.-J.W.) heute noch (New York). Daß die Juden das Geldwesen durchschauen und lenken lernten, erklärt sich historisch. Es sind gerade die Christen, die das ursprünglich anders orientierte Volk zum Geldhandel gezwungen haben. Im Mittelalter beanspruchten die Christen alle ehrlichen Handwerke und Berufe für sich; der schmutzige und entehrende Beruf des Geldhändlers und Wechslers (Zinsverbot)  wurde einzig denn Juden überlassen. Wie darf ein Christ, wie Ford, es ihnen zum Vorwurf machen, daß sie es darin zur Meisterschaft gebracht haben? Für unser Volk baumelt es sich übrigens gleich angenehm am jüdischen, wie am christlichen Zinsgalgen. Nicht die Verruchtheit eines besonderen Volkes ist Schuld an der Gegenwart, es ist die Rückständigkeit der gesellschaftlichen Ordnung; die Barbarei der ganzen Menschheit.(...) Diese Juden handelten nur als ebenbürtige Genossen der christlichen Landräuber Gould, Vanderbildt, des bluttriefenden Menschenfreundes Carnegie, des Schuftes und Philantropen Morgan. Die Missetaten der Hochfinanz gliedern sich nicht in christliche und jüdische; es ist unterschiedlos der Sieg des Mammonismus über die Menschenseele. Ford hat Unrecht einen Sündenbock zu konstruieren. Nicht die Juden sind zu bekämpfen, sondern die Machtmittel, die in jüdischen und christlichen Händen seit Jahrhunderten namenloses Unglück anrichten. Von der Zinsbürde frei, wird die Seele den Weg zum Guten finden,
"
(Silvio Gesell: Gesammelte Werke, Bd.14, Lütjenburg 1993, S.400)

oder biegt sich diese nun mal nicht zu leugnende Tatsache auf Grund schlampiger Recherche oder bewußter Verdrehung so zurecht, daß sie ins eigene Geschichtsbild paßt:

 "Die zentrale Forderung den Kapitalismus von der "Zinsknechtschaft" zu befreien (zielte) objektiv auf die Zustimmung durch die mehrheitlich antisemitische deutsche Gesellschaft (..). Um antisemitische Einstellungen für seine Theorie zu aktivieren, brauchte Gesell selbst keine antisemitische Propaganda zu betreiben."
(Jutta von Ditfurth: Entspannt in die Barbarei, Esoterik, (Öko-)Faschismus und Biozentrismus, Hamburg 1996, S.83)

Gesell hat sich auch schon recht früh gegen völkische Bestrebungen geäußert. So schrieb er in der NWO:
"Keine Menschenopfer fordert der Friede, aber `Geldopfer unerhört´! Daneben das Opfer köstlicher Vorrechte, liebgewonnener Vorurteile, völkischer Bestrebungen und Lebensanschauungen."
(Silvio Gesell: Die Natürliche Wirtschaftsordnung, 9.Aufl., Lauf b. Nürnberg 1949, S.78)

Dem Begründer der Freiwirtschaftsbewegung lag  - mit seinen Vorstellungen von einer freien wirtschaftlichen Verbindung aller Völker und einem freien Handel - nationales Denken fern. Er verstand sich als Weltbürger und Internationalist. Eine solche Haltung geht auch aus seinen folgenden, recht sarkastischen Bemerkungen deutlich hervor:

"Zunächst werden die einzelnen Völker durch den Begriff  "Ein- und Ausfuhr" in Gegensatz zueinander gesetzt. Der Staatsbegriff erhält einen ganz neuen Inhalt. Der tolle Begriff des "nationalen Wirtschaftsgebietes" erscheint.(...) Die Waren erhalten ein staatliches Gepräge. Es handelt sich nicht mehr um einen einfachen Austausch der Produkte. Die Bezeichnung "deutsches Erzeugnis" (made in Germany), von Englang gefordert, sollte einen Gegensatz zum "englischen Erzeugnis" (made in England) schaffen. Da die Völker das Rassengepräge immer mehr verlieren, so wollte man es wenigstens der Stiefelwichse verleihen, die man von Deutschland erhielt."
(Silvio Gesell: Die Natürliche Wirtschaftsordnung, 9.Aufl., Lauf b. Nürnberg 1949, S.230)

Gesell reagierte zunächst äußerst tolerant gegen den Zuwachs von Anhängern aus dem nationalen Lager auf, da er hoffte, daß sich diese unter dem Einfluß der Freiwirtschaftstheorie langsam von ihren alten Auffassungen lösen würden. Dies trat aber nur bedingt ein, so daß sich Gesell 1925 zu dem Schritt veranlaßt sah, seine Mitarbeit beim Freiwirtschaftsbund einzustellen und mit aller Kraft für den Physiokratischen Kampfbund zu wirken. In einem Brief an den Freiwirt Will Noebe schrieb er am 26.08.1925:

"Die Entwicklung der freiwirtschaftlichen Theorien zu einer politischen Bewegung, das Hinauswachsen aus dem Stadium der Literatur zwingt mich zu einer entscheidenden Stellungnahme hinsichtlich des Programmes dieser politischen Bewegung und dafür zu sorgen, daß der leitende Gedanke der Freiwirtschaft im Programm in möglichst klarer und unzeideutiger Weise zum Ausdruck komme.(...) Mein Irrtum ist es auch gewesen, das ich der freiwirtschaftlichen Gedankenwelt eine viel größere erzieherische Kraft zumaß. Mir war es eine Selbstverständlichkeit, daß die nationalistischen Federn, die den freiwirtschaftlichen Mauserungsprozeß überlebten, über kurz oder lang abgestoßen würden. Solches ist bei vielen FFF-Leuten leider nicht eingetreten. Diese Federn sitzen sehr fest und ich bin auch noch nicht dahintergekommen woran das liegt. Daß es ein Erziehungsprodikt ist, das ist mir klar, aber das dieses Erziehungsprodukt der reifen Ueberlegung des heranwachsenden Mannes nicht weichen kann, das ist, wie gesagt, schwer verständlich. Mir deucht fast, daß der nationalistische Wahn mit dem religiösen Wahn zu einer Einheit rattenkönigverschwanzt ist, und daß hier Religion und Nationalismus gleichzeitig angegriffen werden müssen. Als Kaiser Konstantin die christliche Lehre zur Staatsreligion "erhob", da wurde der Plan geschmiedet, aus Gott und Staat einen Brei zu machen und diesen den Staatsknechten auf die Augen zu streichen.(...) Die nationalistischen Elemente stoßen sich an der Freilandforderung, wie ich sie von Anfang an immer vertreten habe. Diese Pille vermögen sie nicht zu schlucken.(...) Nachdem nun endlich durch Timm eine klare Scheidung vollzogen worden und das von ihm entworfene Programm (des Physiokratischen Kampfbundes Anmerkung v. H.-J.Werner) keine Zweideutigkeiten mehr zuläßt (...) habe ich mich entschlossen, meine Kräfte in den Dienst der Timmschen Organisation zu stellen und lehne meine Mitarbeit an anderen Publikationen ab. gez.:Silvio Gesell"
(Silvio Gesell an Will Noebe, in: Die Freiwirtschaft durch Freiland und Freigeld, 20.Heft, 10 (1925), S431f)

1.2 Der marxistische Nationalismus und Antisemitismus - blinder Fleck der  Antifaschisten und Freiwirtschaftskritiker?


Im Gegensatz zu Gesell findet man hingegen bei Karl Marx  viele Rückgriffe auf gängige Vorurteile gegenüber Juden. Sie sind beschrieben bei: E.Silberner: Sozialisten zur Judenfrage, ein Beitrag zur Geschichte des Sozialismus vom Anfang des 19.Jahrhunderts bis 1914, 1.Aufl., Berlin 1962, S.136 ff.)  Marxistische Gesell-Kritiker, wie V.Wölk sind diese Äußerungen von Marx keine Zeile der Kritik wert, was deutlich macht, daß die Faschismusvorwürfe scheinbar nur ein Vehikel zu sein scheinen mit der man sich die lästige Konkurrenz der freiwirtschaftlichen Kapitalismuserklärung vom Hals schaffen will. (Vgl. hierzu seinen Artikel : Tausche einen Karl Marx gegen einen Silvio Gesell? Oder: Ist der Zins an allem Schuld? Über eine "Freiwirtschaftslehre", Tauschringe und ihre   Verbindungen zur extremen Rechten und zu Neuheiden - Eine (fast) unendliche Geschichte )
Marx bringt in der Auseinandersetzung mit Lassalle nach Silberner einen "besonders reichen Wortschatz ans Licht". Neben den wenig schönen Bezeichnungen, wie "der Hund", "das Vieh"  bezeichnet er Lassalle z.B. als "Jüdchen", "Jüdel", "Jüdel Braun", "Epphraim Gescheit",  "Itzig", "Iitzig", "Baron Itzig", "jüdischen Baron", baronisierter (...) Jude oder "jüdischen Nigger". Die Philosophie Herakleitos wolle er nur unter der Bedingung lesen, "daß es nicht nach Knoblauch duftet".  
Während es ihm die Juden besonders angetan haben, urteilt Marx auch gegenüber anderen Nationen herablassend. Die tschechische Nationalität sei eine "sterbende Nationalität". Rumänen, Serben und Kroaten bezeichnet er als "konterrevolutionäre" bzw. "reaktionäre Natiönchen". Chinesen und "Yankees" seien "Betrüger".
Auch bei späteren Anhängern von Karl Marx kann man ein problematisches Verhältnis gegenüber den Juden feststellen.

Stalin war von der Idee einer angeblich jüdischen "Verschwörung" besessen. Schon früh hatte er antisemitische Neigungen und die Heirat seiner Tochter Swetlana mit einem jüdischen Mann war für ihn ein Anlaß die Verschwörungstheorie weitere Nahrung zu geben. Die Verschwörungsvorwürfe Stalins wurden schließlich gegen das vom Jüdisch Antifaschistischen Komitee (JAFK), welches 1942 gegründet worden war, konkretisiert. Vorsitzender dieses Komitees war der Schauspieler Solomon Michoels. 1943 hatte dieser bei einer Schauspielreise durch die USA zusammen mit jüdischen Organisationen Hilfsprogramme für für die Menschen in der Sowjetunion ins Leben gerufen, was ihm den Vorwurf der Spionage und Verschwörung einbrachte. Das JAFK sollte nach Auffassungen Stalins eine Hauprolle bei der Bildung einer provisorischen jüdischen Regierung zwecks Abspaltung der Krim als zukünftiger "Brückenkopf des US-Imperialismus" darstellen. Stalins Vorwürfe gegen das JAFK führten in der Folge nach Auffassung des Dramatikers und Historikers Borschtschagowski dazu, die Vernichtung der gesamten jüdischen Kultur in der Sowjetunion voranzutreiben.(Alexander Borschtschagowski: Orden für einen Mord. Die Judenverfolgung unter Stalin, Berlin 1997) Man durfte jüdische Opfer des Nationalsozialismus, wie z.B. Anne Frank nicht mehr erwähnen, da sie nicht ins eigene ideologische Konzept paßten. Ein Schwarzbuch, über die nationalsozialistischen Verbrechen an dem das JAFK mitgearbeitet hatte und in den USA erschienen war, wurde als Verbrechen tituliert. Die Zahl der im Buch genannten sechs  Millionen getöteter Juden wurde geleugnet. Hans-Paul Höpfner sieht in diesem Vorgehen Paralellen zur heute teilweise vertretenen "Auschwitz-Lüge".(Hans-Paul Höpfner: Die Judenverfolgung unter Stalin, Das Konstrukt einer Verschwörung, in: Das Parlament vom 29.01.1999) Die von Stalin der Verschwörung bezichtigten Mitglieder des JAFK wurden im Rahmen eines Prozesses verurteilt und am 12.08.1952 hingerichtet.

Prof. Michael Wolffsohn hat so laut Lorenz Maroldt vom Berliner Tagesspiegel (11.09.95) mit seinem Buch:"Die Deutschland-Akte. Juden und Deutsche in Ost und West - Tatsachen und Legenden. München 1995" auf einen anderen Aspekt des sozialistisch-kommunistischen Antijudaismus hingewiesen. Er stellte folgende These auf:
"Die DDR hat die Juden stets als Instrument mißbraucht, innen- wie außenpolitisch. Nach der Wende hat die PDS diese üble Tradition übernommen."
Kritik an marxistischem Nationalismus und Antijudaismus findet man bei den Kritikern von Gesell oder der Freiwirtschaftsbewegung, wie Jutta von Ditfurth jedoch nicht.
Es stellt sich daher die Frage, ob der ausgewiesene "Antifaschismus", der judenfreundliche, internationalistische und humanistische Textstellen  bei Gesell verschweigt und keinerlei Kritik an der antijüdischen Theorie und Praxis von Anhängern des Kommunismus thematisiert, zur Legitimation der eigenen Wirtschafts- und Gesellschaftsvorstellung dienen und die unvoreingenommene Diskussion über freiwirtschaftliche Wirtschaftsvorschläge als Alternative zum Kapitalismus verhindern soll. 
Diese Anfrage müssen sich Kritiker, wie der ASTA der Universität Hannover, Jutta von Ditfurth, Herr Woelk (Natur und Mythos, Ökologiekonzeptionen der "neuen" Rechten im Spannungsfeld zwischen Blut und Boden und New Age, 1.Aufl. Duisburg 1992), oder der Anonymus  des Textes im Internet der "nadir.org" (s.o.) gefallen lassen. Bild eines Männchens, dass aus einem Klo herausschaut

Insbesondere dann, wenn sie sich noch nicht einmal namentlich zur Urheberschaft ihres Text bekennen.

1.3 Freiwirtschaftliche Kritik und Widerstand gegen
      den Nationalsozialismus

Neben national und völkisch eingestellten Freiwirtschaftlern gab es auch Freiwirte, die den Nationalsozialismus kritisierten und ablehnten. 1931 schrieb der Freiwirtschaftler P.Diehl:
"was für die Anhänger des Marxismus der Unternehmer ist, (...) das wird für den Anhang der Völkischen der Jude."
(P.Diehl: Wohin führt uns der Nationalsozialismus?, Lauf, Bern, Leipzig 1931, S.41)

"Ist das deutsch? Ist Fanatismus, die Glieder werfende Unbesonnenheit, die orgiastische Verleugnung von Vernunft, Menschenwürde, geistiger Haltung in irgendeiner tiefen Seelenschicht des Deutschtums wirklich zu Hause? (...) Doch ist die Zeit wahrhaftig nicht danach getan, daß wir sie mit (...) bramabarsierenden Reden und mit Soldatenspielen vergeuden! Wir stehen am Abgrund!"
(P.Diehl: Wohin führt uns der Nationalsozialismus?, Lauf, Bern, Leipzig 1931, S.45)


Der Freiwirt Paul Regnault schrieb den Nationalsozialisten in das Stammbuch:
"Wenn nun in Eurem Katechismus steht, daß die Lösung des Zinsproblems die Lösung der Judenfrage bedeutet, so fürchte ich, daß Ihr das Zinsproblem nie lösen könnt, weil Ihr es von einer falschen Seite aus anseht. Wenn alle Juden totgeschlagen sind, ist der Zins noch längst nicht beseitigt."
(N.N. (Regnault, P.: Der Wirtschaftsirrtum der Nationalsozialisten, Erfurt o.J. (1930), S.7f)

Beispielhaft für andere Freiwirte seien an dieser Stelle die Widerstandsaktivitäten von M.Hoffmann und R.Hoell genannt.
Als der Nationalsozialismus die Macht übernahm beteiligten sich Martin Hoffmann (Diogenes) und Rudi Hoell an Widerstandsaktivitäten der Arbeiterbewegung auf lokaler Ebene.
Hoffmann beteiligte sich an den illegalen Schulungen und Flugblattaktionen der Gruppe Neu Beginnen. 1936 oder 1937 wurde er verhaftet.
Rudi Hoell war nach Werner Onken Anhänger des neukantianischen Philosophen Leonard Nelson und des liberalen Sozialisten Franz Oppenheimer. Er schloß schloß sich dem Internationalen Sozialistischen Kampfbund  (ISK) an und kritisierte den Zusammenarbeitskurs der Leitung des Fysiokratischen Kampfbundes. Er und seine Frau  Marianne Hoell beteiligten sich an der Schulung von 5er Widerstandsgruppen und an dem Verschicken von Flugblättern wie den "Reinhardt-Briefen", die kritische Kommentare zur NSDAP-Politik enthielten. Bei einem Aufenthalt in München wurde Rudi Hoell verhaftet und starb nach Aussagen der Gestapo am 21.07.38 in seiner Haftzelle. Seine Frau Marianne, eine Schwester des bekannten Freiwirtes Hans Timm, wurde 1939 von einem Kammergericht zu zweieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. (W.Onken: Natürliche Wirtschaftsordnung unter dem Hakenkreuz - Anpassung und Widerstand, Lütjenburg 1997, S.29)

1.4 Rechte und nationale Tendenzen innerhalb der    
      FSU?

Nichtsdestotrotz bleiben auch berechtigten Vorwürfe gegen bestimmte Mitglieder in der Freiwirtschaftsbewegung bestehen, die sich heute vor allem an Personen im Umfeld der Partei Freisoziale Union (FSU ) festmachen lassen.
Zwar gab es in den letzten Jahren vor allem um Klaus Popp im NRW-Landesverband der FSU Bestrebungen die Partei von ihrer rechten Ausrichtung zu befreien, diese haben jedoch nicht zu einem grundsätzlichen Umdenken innerhalb der Partei geführt.
Hans Kadereit , Referent für FSU-Informationen bringt diese Position in den Informationen der Freisozialen Union auf den Punkt, wenn er schreibt: "Parteifreund Klaus Popp, der behauptet hatte  und uns weismachen wollte, die FSU von rechtsradikalen und faschistischen Elementen säubern zu müssen, wurde samt seinen Gesinnungsfreunden von durch Willi Schmülling alarmierten parteitreuen Freunden u.a. wegen mangelnder Parteiarbeit aus dem Landesvorstand von NRW beim Landesparteitag am 30.05.1999 in Wuppertal abgewählt und trat aus." (frei & sozial 12/99, S. IV)
Unerwähnt ließ Kadereit dabei , inwiefern die Beauftragung von Hans-Joachim Werner für ein Gutachten zum Umgang mit dem Vorwurf der Rechtstendenzen gegen die FSU zur Abwahl von K. Popp beigetragen hat.
Immerhin hatte W.Schmülling auf dem Landesparteitag in NRW das in Auftrag gegebene Gutachten als "Bösachten" bezeichnet, ohne, daß die dort aufgeführten Kritikpunkte und Lösungswege auf der Parteiversammlung intensiv diskutiert worden sind oder das Gutachten den Parteimitglieder unvoreingenommen vorgestellt werden konnte.

Die Referententätigkeit von Horst Mikonauschke im Deutschen Arbeitnehmerverband wird in "frei&sozial" von Kadereit nicht als Grund für seine Abwahl als Parteivorsitzender der FSU genannt. Vielmehr ist die Abwahl von Mikonauschke nach Kadereit damit zu erklären, daß ein "weißer Ritter", Hermannn Benjes auf dem Parteitag als neuer Vorsitzender "erschienen" ist.(ebenda)
Generelle Linie bleibt, daß man sich innerhalb der FSU zwar formel von rechts und links distanziert. Eine konkrete Verantwortung für das politische agieren der eigenen Mitglieder (Schumann, Bischof, Jenetztky, Mikonauschke u.a.) mit rechten Theoremen lehnt man jedoch kategorisch ab. Vielmehr fühlt man sich weiterhin zu Unrecht verfolgt und den Kritikern innerhalb der Freiwirtschaftsbewegung spricht man sogar die Anhängerschaft innerhalb Freiwirtschaftsbewegung ab. "Ein echter Freiwirtschaftler kann kein Nazi sein! Wer das nicht begreift, kann kein echter Freiwirtschaftler sein!" (Hans Kadereit, in: frei & sozial 12/99, S. IV)
"In diesem Zusammenhang wurde sogar nicht davor zurückgeschreckt, mit sog. Antifaschisten gemeinsame Sache zu machen und bekannte und verdienstvolle Parteimitglieder systematisch als rechtsradikal zu diffamieren." (ebenda)
Der neue Vorsitzende der FSU, Hermann Benjes setzte im Dezember 1999 noch einen drauf, indem er die Kritik von Helmut Creutz an Veröffentlichungen von Reiner Bischoff im Dritten Weg und seine Weigerung mit ihm zusammen im "Dritten Weg" zu veröffentlichen als "Erpressung" charakterisierte und als Signal verkündete: "Ich  habe darum in einer meiner ersten Amtshandlungen Reiner Bischoff im Namen der FSU um Verzeihung gebeten und ihn nach jahrelanger Abwesenheit im Kreise der DDW-Autoren wieder willkommen geheißen."  (frei & sozial 12/99, S. I)
Kein Wort kam Benjes bezüglich der nationalistischen Veröffentlichungen von Bischoff über die Lippen.
Stattdessen rühmt er sich, eine tiefergehende Stellungnahme zu den Vorwürfen der Rechtsausrichtung und ihre Veröffentlichung im Dritten Weg verhindert zu haben. Eine Erklärung zu verabschieden, die "erneut den unvermeidlichen Eindruck (..) erweckt, die FSU habe es nötig, sich immer wieder mal von rechtsradikalen Tendenzen zu distanzieren", hält er für eine "Zumutung".(ebenda)
Die Partei glaubt also nach wie vor, mit der vom Parteivorstand am 18.10.96 formulierten Erklärung zum politischen Standort, in der Frage der eigenen Verstrickung mit rechten Tendenzen , einen ausreichende Klärung bewerkstelligt zu haben. In der Erklärung spricht man zwar nicht konkret, jedoch allgemein von jeder Relativierung oder Beschönigung von Verbrechen, die im Namen von nationalsozialistischen  und stalinistischen Staaten begangen worden sind.
In Erklärung heißt es:
"Auch die Verteidigung gegenüber Bedrohungen von außen kann nur auf dem Fundament eines gesicherten Bürgerfriedens gelingen. Ebenso hat der Staat sich jeder Drohung und Anwendung von Gewalt gegenüber anderen Völkern, Volksgruppen und Rassen zu enthalten. Die gewaltsame Verschiebung von Grenzen ist ein absolutes Tabu. Alle Staaten, die in der Vergangenheit oder Gegenwart die Gewalt als Mittel der Politik einsetzten oder heute noch einsetzen, waren oder sind von Verbrechern geleitete Staaten.
Totalitäre Systeme, gleichgültig ob sie sich als linke oder rechte bezeichnen, sind somit die schlimmsten Feinde des Friedens unter allen Menschen. In unseren Jahrhundert zählten dazu stalinistische, faschistische bzw. nationalsozialistische Staaten. Die freisozialen Grundsatzforderungen dienen dazu, solche barbarischen Systeme zu verhindern.
Wir distanzieren uns energisch von jeder Relativierung oder Beschönigung von Verbrechen, die im Namen der genannten Unrechtssysteme verübt wurden.
Das hier Dargestellte macht den Standpunkt der FSU deutlich, daß sie lediglich die ökonomischen Ansichten Gesells teilt, nicht aber seine staatsrechtlichen, philosophischen und religiösen Überlegungen. Vorwürfe, die sich auf diese Überlegungen beziehen, gehen am Standpunkt der FSU vorbei.
"

Eine konkrete Benennung, Aufarbeitung und Distanzierung von Verfehlungen im Rahmen nationalistischer Stellungnahmen und Publikationen in der Vergangenheit von eigenen Mitglieder oder Parteiebenen , sucht man jedoch in den Stellungnahmen der Partei bis heute vergebens.

1.5 Rechte Tendenzen innerhalb der Freiwirtschaftsbewegung - ein Kurzkommentar

Gesell ist weder als Nationalist, noch als Antisemit, oder Propagandist des Nationalsozialismus einzustufen. Manches braune Versatzstück hat er klarer gesehen und kritisiert als seine Zeitgenossen.
Dennoch müssen, wenn man sich mit der Frage der rechten Tendenzen in der Freiwirtschaftbewegung befaßt, auch das konkrete Verhalten und die theoretischen Überzeugungen Gesells noch einmal kritisch überprüft werden. Seine anfängliche Duldung, man mag sie auch Toleranz nennen, gegenüber national gesinnten Anhängern sowie seine Gedanken zur "Hochzucht des Menschengeschlechtes" sind hier wohl als wichtige Ansatzpunkte für eine kritische historische Untersuchungen anzusehen. Gesell spricht sich in den letztgenannten Textstellen für eine von den Frauen praktizierte freiwillige Art der Eugenik aus, die auf diese Weise den liebevolleren, humaneren, besseren Menscheneigenschaften zum Durchbruch verhelfen sollten. Eine für wahr äußerst befremdliche Vorstellung, die jedoch in ähnlicher Form auch bei anderen Kommuneschilderungen der Frühsozialisten und Vertreten der politischen Utopie zu finden sind. Bei Gesell ist sie mit einer Form des Biologismus verbunden. Er geht scheinbar davon aus, daß negative soziale Verhaltensweisen, wie z.B. Alkoholismus vererbt werden, eine wissenschaftlich unhaltbare Vorstellung. Für seine Wirtschaftsauffassungen sind diese Gesellschaftsvorstellungen irrelevant. In Verkennung der Problematik meinen heute  jedoch immer noch einige wenige Freiwirte diese Auffassungen als "frauenemanzipativ" darstellen zu können.
Ein grundsätzlicher Rassismus, im Sinne der Abwertung anderer Rassen lag Gesell jedoch fern.
Er setzte auf den "Liebeswettbewerb" der einzelnen Männer, eine Vorstellung, die mit Sicherheit nicht zu seinen "geistigen Glanztaten" zu zählen ist und die viele der ihn einordnenden Mißverständnisse hervorgerufen hat. Diese Auffassung korrespondierte  teilweise mit seiner privaten Lebensführung. Vielleicht sind sind eher hier Erklärungen für seine diesbezüglichen theoretischen Eskapaden zu finden als in einer fundierten rassistischen Gesinnung, wie ihm immer wieder von verschiedenen Seiten unterstellt wird.

Gesell ging es, wenn man von einzelnen unreflektierten Äußerungen absieht, um den einzelnen Menschen, ganze Völker- und Rassen negativ einzuordneten lehnte er ab. Dies bezeugt auch folgendes Zitat aus dem Jahre 1924:
"Das völkische, soweit es in Politik ausgeartet ist, muß bis aufs Messer bekämpft werden (...) Jeder Herabwürdigung anderer Rassen ist mit Kraft entgegenzutreten, so daß alles, was wir sagen und schreiben, ohne weiteres in alle Länder der Weklt, unter alle Völker des Menschengeschlechtes getragen werden kann.(..) Das Kosmische, das Allmenschliche der Freiwirtschaft muß den Geist unseres Kampfes tragen. Die Liebe zum Menschengeschlecht, zu dem von Allen Göttern verlassenen Menschengeschlecht muß das Arsenal liefern, wo wir unsere Waffen herholen im Kampfe mit nationalistischen Anschauungen und Vorurteilen"
(Silvio Gesell: Gesammelte Werke,  Bd. 15, Lütjenburg 1994, S.109)

Es stellt sich abschließend die Frage ob und inwiefern national ausgerichtete Anhänger der Bewegung durch Gesells Verhalten und einige seiner aus der Äußerungen, sich in ihren Argumentationen zunächst bestärkt fühlen konnten.
Entgegen der Auffassung Gesells gab es vor allem in den zwanziger und dreißiger Jahren nicht wenige Anhänger Gesells, die seine Theorien mühelos mit nationalen, rassistischen, verschwörungstheoretischen und antisemitischen Auffassungen verbunden haben.
Sich nur auf diese Anhänger zu beziehen und nicht gleichzeitig auch Freiwirte und Freiwirtinnen zu benennen, die mutig gegen die Nationalsozialisten, Antisemiten und Rassisten ihre Stimme, erhoben haben, würde der Gesamtbewegung und dem Kampf sowie dem damit verbundenen Leiden dieser engagierten freiwirtschaftlichen Menschen nicht gerecht werden.
Die Freiwirtschaftsbewegung bestand, wie wohl die Mehrzahl anderer Gruppen innerhalb Deutschlands, nicht aus "Helden" des Widerstands. Sie war aber auch auf Grund ihrer internationalen Ausrichtung, kein ideologischer Ideenlieferant der Nationalsozialisten. Zudem war und ist sie äußerst heterogen zusammengesetzt.
Gerade dieses Faktum macht eine differenzierende Betrachtung umso notwendiger.
Für rechtes Gedankengut anfällige Theoriedefizite gab es vor allem in der Frage des Menschenbildes.
Das ordnungspolitisch Leitbild der unbedingten Konkurrenz wurde in der Bewegung kaum hinterfragt. Die Fehlende Thematisierung der "Solidarität mit Schwachen" ist ein Theoriedefizit, daß die Bewegung  anfällig für rechte Tendenzen machte.

Dieser kurze Abriß mag als eine Einführung in die Problematik des Verhältnisses von Freiwirtschaftsbewegung und braunem Gedankengut dienen.
Wie man sieht, ist das Verhältnis von Freiwirtschaftsbewegung und Nationalsozialismus immer noch nicht ausreichend beschrieben und angemessen eingeordnet.
Die Diskussion um den Zusammenhang von Freiwirtschaftsbewegung und rechten Tendenzen wird stark vom ideologischen Hintergrund der Teilnehmer der Debatte bestimmt und manchem Text ist anzumerken, daß nicht die Suche nach der historischen Wahrheit sondern eher die Ausschaltung eines mißliebigen Theoriekonkurrenten  als Motiv seiner Entstehung zu gelten hat. Der "Kampf  um die Köpfe des engagierten Publikums "wird nicht gerade mit weichen Bandagen geführt.
Das macht die Einordnung und Forschung auf diesem Gebiet nicht leichter.
 Sachliche Forschungsarbeit, die zu unterscheiden vermag,  ist daher umso dringender geboten. Zwar ist mit dem Werk von Werner Onken, (Natürliche Wirtschaftsordnung unter dem Hakenkreuz - Anpassung und Widerstand, Lütjenburg 1997), insbesondere seines eigenem im Buch enthaltenen Teiles, ein wichtiger Beitrag zur Aufklärung des Verhältnisses von Freiwirtschaft, Nationalismus und Rassismus unternommen worden, dies kann jedoch nur ein erster Schritt für die weitere Auseinandersetzung, mit dieser Thematik bedeuten.

Hans-Joachim Werner



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Letzte Änderung am 14.12.1999